Ausstellung Künstlerstipendium von
Pei-Chin Lee  "Schalett"


Schalett ist ein traditionelles Kartoffelgericht aus der Schwalm, wie es viele gibt, die hier von
Generation zu Generation weitergegeben werden. Doch die Kartoffel ist in der Schwalm
keineswegs seit so vielen Generationen heimisch. Sie kam im 16. Jahrhundert mit den spanischen
Eroberern nach Europa und verbreitete sich nur langsam über Spanien, Italien und die
Niederlande nach Deutschland. Als das Hirtenhaus 1562 errichtet wurde, war die Kartoffel in dieser
Region noch völlig unbekannt. Als Gerhard von Reutern 1824 mit Ludwig Emil Grimm in
Willingshausen die Künstlerkolonie begründete, etablierte sie sich gerade erst als
Hauptnahrungsmittel der Region. Kurz zuvor hatte Friedrich der Große ihr Potenzial zur
Bekämpfung von Hungersnöten erkannt und so wurde sie nach anfänglicher Ablehnung zu einer
deutschen Kulturpflanze.
Pei-Chin Lee nutzt die Kartoffel als Metapher, um das Wechselspiel zwischen Fremdheit und
Integration zu thematisieren. Der Ausdruck "Wurzeln schlagen" beschreibt das Ankommen, das
Sesshaftwerden, aber auch die Herausforderungen, die mit der Migration einhergehen. Die
Kartoffel, das zentrale Motiv der Ausstellung, ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil der
deutschen Esskultur und war einst eine misstrauisch beäugte Pflanze aus Südamerika. Pei-Chin
Lees handgefertigte Keramik-Kartoffeln erinnern daran, dass Migration keine einseitige
Bewegung ist, sondern ein Austausch, der Kulturen verändert und bereichert.
Ihre Landschaftsaufnahmen, die sie in ihrer großformatigen Videoarbeit zeigt, erinnern an
niederländische Landschaftsmalereien des 17. Jahrhunderts, die oft zu einem Viertel aus
Landschaft und zu drei Vierteln aus Himmel bestehen. In den blauen Himmel ragen bei den alten
Niederländern – wie auch in Lees Aufnahmen – häufig Windmühlen empor. Damals wurden sie
als Symbol für Fortschritt in die Malereien integriert: Sie mahlten nicht nur Mehl, sondern
betrieben auch Pumpen, die das Land trockenlegten und für die Landwirtschaft nutzbar machten.
Die Windkrafträder der Schwalm prägen ebenfalls die Ästhetik einer neuen Kulturlandschaft, die
mit erneuerbaren Energien Fortschritt und Nachhaltigkeit verkörpert.
Mit ihrer künstlerischen Arbeit lädt Pei-Chin Lee dazu ein, über Migration, Identität und kulturellen
Austausch nachzudenken. Ihre Werke erzählen von Menschen, die – wie Pflanzen – in neuen
Umgebungen Wurzeln schlagen und dadurch Gesellschaften bereichern. Die Ausstellung in
Willingshausen setzt ein Zeichen für Offenheit und Dialog in einer Welt im Wandel.
Pei-Chin Lee, geboren 1988 in Taipei, Taiwan, lebt und arbeitet in Offenbach. Nach ihrem Studium
im Bereich Werbung in Taipeh setzt sie ihre künstlerische Ausbildung seit 2018 an der Hochschule
für Gestaltung Offenbach fort. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Film und
Fotografie, wobei sie sich intensiv mit der Erfahrbarkeit von Zeit sowie mit Erinnerungen an
Menschen und Orte auseinandersetzt.  (Foto: Marina Rüdiger)


Kunsthalle Willingshausen
Merzhäuser Str. 1
34628 Willingshausen
Öffnungszeiten
Di – Fr 14 – 17 Uhr
Sa & So 10 – 12 & 14 –17 Uhr